Gregor verbringt viel Zeit mit Barbara. Eine „Pletna“ wie sie findet man nur am Bleder See in den slowenischen Alpen. Und Barbara ist einzigartig: Keine der 23 Pletna gleicht der anderen.
Eine Pletna ist eine fast schon märchenhafte Erscheinung. Das traditionelle Boot wird aus großen Baumstämmen aus der Umgebung in Handarbeit zusammengezimmert. Nur zwei Menschen beherrschen das Handwerk, die mehr als sieben Meter langen und zwei Meter breiten Schiffe zu bauen. Am türkisblauen Seewasser erkennt man sie von Weitem am bunten Dach.
Die Boote gehören 23 Familien, die das Recht auf die Fahrten am See von Generation zu Generation weitergeben. 23 Familien, 23 Boote – das veranlasste die österreichisch-ungarische Kaiserin Maria Theresia bei einem Besuch der Provinz. Sie erließ den Bleder Landwirten die Steuerabgaben, wenn sie Pilger ohne Gebühr zur Marienkirche auf der kleinen Insel Blejski otok transportierten.
Gregor Pazlar aus Bled gehört zu einer dieser 23 Familien. In zehnter Generation steuert er das Boot auf die Insel. Das Erbrecht gestaltet sich heute prosaischer: Nun erhält er die Lizenz von der Regierung, hat seine eigene Firma und zahlt Steuern. Gewisse Dinge verändern sich aber nie: „Genau so wie unsere Vorfahren bringen wir Pilger kostenlos zur Insel, wenn es eine Messe gibt.“ Das gebietet die Schiffer-Ehre. Der sogenannte „Pletnarstvo“ ist ein angesehener Beruf, der tief in der Bleder Tradition wurzelt.
Er erinnert sich noch, wie er nach der Schule immer zu seinem Großvater auf das Boot stieg. Wenn das Boot leer war, durfte sich der Zehnjährige an den langen Holzrudern versuchen. Ein halbes Jahr hat es gedauert, bis Gregor alle Bewegungsabläufe sicher beherrschte, mit denen er heute die Plenta steuert. Nach dem Großvater übernahm sein Vater das Ruder. Und als dieser vor fünf Jahren in Pension ging, hängte Gregor seinen Beruf als Koch an den Nagel und wurde Pletnarstvo. „Ich hoffe, dass meine Kinder weiter machen, wenn ich in Pension gehe“, sagt er.
Zu tun gibt es genug. Fünf mal täglich unternimmt Gregor die Runde vom Seeufer zur kleinen Insel mit der Marienkirche und transportiert dabei an die zwanzig Personen mit reiner Muskelkraft. Aufrecht steht er an Deck und setzt sein Körpergewicht ein, um Kraft zu sparen. „Ich gebe kein Geld für ein Fitnessstudio aus“, sagt Gregor. Unter seinem traditionellen Jackett trägt er ein gepufftes, weißes Hemd, das seine Schulter und Oberarme noch breiter erscheinen lässt.
Im Winter bracht das Boot Barbara Pflege. Im Januar und Februar bekommt es einen neuen Lackanstrich verpasst. Bei richtiger Handhabung wird Barbara mehr als 30 Jahre alt werden. Auch die Insel und der Schiffssteg benötigen von Zeit zu Zeit Renovierungsarbeiten. Durch den Tourismus habe die Gemeinde dazu nun das nötige Kleingeld, sagt Gregor. Das ist die gute Seite des steigenden Besucherandrangs. Es gibt aber auch Probleme.
Gregor spricht es ehrlich aus: In den letzten Jahren hat sich bei den Besuchern Hektik eingeschlichen. Manche Gäste takten ihr Programm genau. Sie legen an der Insel an, knipsen ihre Fotos, und gehen über zum nächsten Programmpunkt. „Take it slow“, bremst euch ein, möchte er ihnen gerne sagen. Das gemächliche Tempo, mit dem er sich mit Barbara über den See bewegt, macht es vor. Die beiden brauchen keinen Motor.
Tourismus bedeutet Leben, aber auch Trubel an Board. Gregor beantwortet gerne alle Fragen seiner Passagiere und wechselt dabei fliegend von Slowenisch auf Englisch und Deutsch und wieder zurück. Mit der Geschichte seines Ortes kennt er sich aus. Aber nicht nur dazu gibt es Informationsbedarf: „Die erste Frage ist immer: Wo ist die Toilette?“ sagt Gregor und lacht.
Dazwischen gibt es aber Momente, wo ihm die Schönheit des Sees nach all den Jahren immer noch die Sprache raubt. „Ich lebe hier mein ganzes Leben lang. Aber manchmal, wenn ich die Sonne, den See und die Berge sehe, muss ich einfach stehenbleiben.“ Dann lässt er für einen Moment die Ruder in der Luft schweben, schweigt und staunt.